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Laura

«Ausser man tut es» – Ein Gespräch zum Thema Upcycling mit Museumsleiterin Elisabeth Abgottspon, Ortsmuseum Küsnacht

Aktualisiert: 31. Okt.

An einem schönen Nachmittag im Ortsmuseum Küsnacht empfängt uns Elisabeth Abgottspon, die seit vielen Jahren die Rolle der Direktorin mit Leidenschaft ausfüllt. Schon beim Betreten des historischen Gebäudes tauchen wir in die reiche Geschichte Küsnachts ein. Elisabeth Abgottspon führt durch die Ausstellungsräume und zeigt uns dabei auf, wie hier das Konzept der Nachhaltigkeit umgesetzt wird. Von wiederverwendeten Campingstühlen bis hin zu umfunktionierten Präsentationsständern – hier wird Nachhaltigkeit lebendig. In unserem Gespräch geht es um die Bedeutung von nachhaltigem Ausstellen, die Motivation hinter der Verwendung wiederverwerteter Materialien und die Herausforderungen bei der Planung und Umsetzung solcher Ausstellungen. 


Ausschnitt aus der Ausstellung "Ausser man tut es", Ortsmuseum Küsnacht

Was ist für dich «nachhaltig Ausstellen»? 

Hier fällt mir vor allem die ökologische Nachhaltigkeit ein: auf Ressourcen zu achten, zum Beispiel nur Materialien aus früheren Ausstellungen für eine neue Ausstellung zu verwenden - Upcycling zu betreiben. Vorhandenes Material wird neu zusammengesetzt oder Dinge werden repariert, anstatt sie zu ersetzen. Auch die Auswahl der Materialien ist wichtig: Nicht zu viel Kunststoff verwenden, das später weggeworfen wird, sondern lieber Holz und Karton. Außerdem kann man gebrauchte Materialien auch anderswo finden, zum Beispiel in Brockenhäusern. Aber auch die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit ist wichtig wie der Austausch mit Menschen fördern oder finanzielle Einsparungen erzielen. Einsparungen sind jedoch nur begrenzt möglich, da die Arbeitszeit durch den allfälligen Mehraufwand teurer ist als die Materialien selbst. 


Die Ausstellung «Ausser man tut es – Nachhaltigkeitsprojekte in Küsnacht» wurde aus wiederverwendeten Materialien gestaltet. Was war die Motivation hinter dieser Entscheidung?  

Die Motivation für diese gestalterische Wahl war maßgeblich vom Inhalt der Ausstellung selbst geprägt. Durch die Integration von wiederverwendeten Materialien in weitere Bereiche unserer Ausstellungen kommen nicht nur moralische und ethische Fragen zum Tragen, sondern auch praktische Überlegungen spielen eine entscheidende Rolle. Eine zentrale Frage dabei ist: Ist es verantwortungsvoll, noch brauchbare Gegenstände einfach wegzuwerfen? Hierbei geht es nicht nur um ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch um ökonomische Aspekte. Oftmals ist es kostengünstiger, vorhandene Ressourcen zu recyceln oder zu upcyceln, anstatt neue Produkte herzustellen. Der Platz ist sicher ein limitierender Faktor: Oft ist es praktischer, wenn etwas weg ist, als wenn es jahrelang gelagert wird, bis es wieder zum Einsatz kommen kann. 


Welchen Einfluss hat die Wiederverwendung von Ausstellungsmaterialien auf den Inhalt der Ausstellung? 

Spontan würde ich sagen: keine. Die Wiederverwendung betrifft vor allem die szenografische Arbeit im Austausch mit der Kuratorin. Es kann aber sein, dass man ein Objekt nicht in gebrauchtem oder gar neuem Zustand vorfindet, dann muss die Auswahl der Objekte neu angepasst werden. Das ist aber auch sonst der Fall, denn bei der Ausstellungsplanung gibt es immer ein Ping Pong zwischen Gestaltung und Inhalt. Die Hauptfrage ist hier sicherlich, wie man mit dem vorhandenen Material die neue Ausstellung gestalten kann und ob es möglich ist, damit eine neue Stimmung zu erzeugen. 


Jetzt kommen wir zur Umsetzung eines Projektes aus wiederverwerteten Materialien. Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Schritte bei der Planung einer solchen Ausstellung? 

Das Wichtigste ist, frühzeitig zu schauen, was man hat und darauf das Ausstellungskonzept aufzubauen. Man braucht zudem «gute» Leute, also Handwerker:innen, die flexibel und kreativ sind. Entscheidend ist auch der enge Austausch mit den Gestalter:innen: Alle müssen wissen, was vorhanden ist. Es ist jedoch nicht möglich, bis auf die letzte Schraube genau zu planen. 


Was waren die Herausforderungen, sowohl bei der Planung als bei der Umsetzung der Ausstellung? 

In der Planungsphase können die Szenografinnen diese Frage am ehesten beantworten. Die allgemeine Herausforderung besteht jedoch darin, eine neue und abwechslungsreiche Ausstellung zu entwerfen, die sich auch aus Materialien früherer Ausstellungen zusammensetzt. Dabei muss man sich mehr Gedanken über die Auswahl der Materialien machen und diese frühzeitig in den Planungsprozess einbeziehen. Der Aufwand ist in der Regel größer, da die Arbeitszeit zunimmt. Auch das muss eingeplant werden. In der Umsetzung ist meine Beobachtung, dass nicht alles planbar ist. Am Ende wird alles vor Ort ohne genaue Pläne zusammengesetzt. Da sind Flexibilität, Offenheit, aber auch handwerkliches Geschick und Kreativität gefragt! Auch beim Rückbau braucht man mehr Zeit. Die Herausforderung besteht darin, früh genug anzufragen und zu organisieren, damit möglichst wenig weggeworfen werden muss. 


Und was passiert mit der Ausstellung nach dem Ausstellungsende?  

Am Ende einer Ausstellung fragt man sich: Wie geht es weiter? Kann ich das Material wieder verwenden? Ist genug Platz im Depot? Kenne ich jemanden, der das Material brauchen könnte? So haben wir schon Pappe und alte Plakate an das Familienzentrum weitergegeben oder aus dem Holz wurde ein Hasenstall gebaut. Eigentlich ist es eine ständige Frage, wer was nach der Ausstellung verwenden kann. Nicht für alle Materialien ist ein zweites Leben möglich. Aber handwerkliches Know-how oder Möbel, die nach dem Baukastenprinzip konzipiert sind, erleichtern die Wiederverwendung. Bei unserer Sonderausstellung zum Thema Nachhaltigkeit haben wir am Ende viel weniger weggeworfen als gedacht. Teilweise wurden die Materialien für neue Ausstellungen eingeplant, teilweise wurden sie verschenkt. 


Hattest du Bedenken zu Beginn dieses Ausstellungsprojekts?  

Aus gestalterischer Sicht konnte man sich vorher nicht vorstellen, wie es wirken würde. Wird es recycelt aussehen? Wirkt es nicht zu ähnlich wie die vorangehende Ausstellung? Werden wir einen anderen Charakter mit den recycelten Materialien erreichen? Dank dem Können der Szenografin wurden diese Bedenken aber nicht bestätigt: das Erscheinungsbild war trotz wiederverwendeten Materialien völlig neu. 


Was würdest du anderen Museen empfehlen? 

Sehr hilfreich ist ein «intelligentes Lager», in dem die Dinge thematisch geordnet sind. Aber auch das Ausmisten ist wichtig: Es sollten nur Dinge aufbewahrt werden, die wirklich flexibel eingesetzt werden können. So sind Tischmöbel und Abzugshauben «wandlungsfähiger» als Vitrinen, die oft immer gleich aussehen. Auch eine Zwischennutzung von sperrigen Tischmöbeln sollte in Betracht gezogen werden. Und die Wiederverwendung von gebrauchten Dingen ist nachhaltiger als alles neu zu kaufen! Ein zeitlicher Puffer hilft. Denn wenn ein Gegenstand nicht im gebrauchten Zustand zu finden ist, muss man eine Runde länger suchen. 

Generell sollte man bei der Planung möglichst früh ins Lager schauen und vorhandenes Material frühzeitig ins Konzept einbeziehen. Und rechtzeitig überlegen, was mit dem Material nach Ausstellungsende geschehen soll. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass man mit wenig Material und kleinen Anpassungen eine große Vielseitigkeit erreichen kann: So hat schon ein schwarzer Anstrich von Holzstäben zu einer neuen Wirkung geführt.  

Und schließlich sollte auch der Museumsshop einbezogen werden: Bücher, die nach einer Ausstellung übrigbleiben, geben wir zum Beispiel an die Buchhandlung zurück. 


Nun kommen wir zur externen Wahrnehmung der Ausstellung. Wie reagieren die Besucher:innen auf die Ausstellung? 


Es gab keine speziellen Reaktionen. Nur ein Zimmermann hat mit seinem geschulten Blick gefragt, warum auf einigen Holzbretten noch Bleistiftspuren zu sehen waren …   


Wie wurde das Upcycling-Konzept den Besucher:innen vermittelt?  

Wir haben lediglich über Impressum, Medienmitteilung und Führungen informiert, wie die Ausstellung konzipiert wurde. 


Danke, liebe Elisabeth, dass du uns einen Einblick in das Ortsmuseum Küsnacht gegeben hast, ein Museum, das sich kontinuierlich um mehr Nachhaltigkeit bemüht.  

 

Szenografin Barbara Pulli links, Museumsleiterin Elisabeth Abgottspon rechts

Dieses Interview entstand im Rahmen des von der Stiftung Mercator geförderten Projekts «Upcycling Global Happiness»









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