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Laura

10 Fragen an Myriam Weber

Aktualisiert: 3. Juli

Restauratorin und Konservatorin am Zentrum Paul Klee

Foto: Zentrum Paul Klee

Seit fast zwei Dekaden arbeitet Myriam Weber als Restauratorin und Konservatorin für Arbeiten auf Papier im Zentrum Paul Klee. Klees Arbeiten sind zu ca. 90 % auf Papier. Happy Museums durfte ihr 10 Fragen zur Nachhaltigkeit im Museum stellen.



1. Welche Aufgabenbereiche im Museum bearbeiten Sie?

Meine Hauptaufgabe ist die präventive Konservierung und Restaurierung. Ich schaue, dass es den Werken möglichst gut geht, auch auf Reisen. Im Leihverkehr reisen die Werke um die ganze Welt und auch im Haus müssen wir schauen, dass sie nicht übernutzt werden und das Klima für die Bilder stimmt. Zudem bin ich oft bei Expertisen beteiligt. Die Vermittlung und Forschung zu Techniken von Paul Klee gehören ebenfalls zu meinem Aufgabenbereich.


2. Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit im Museum?


Ein Museum hat bereits eine sehr nachhaltige Aufgabe. Die Aufgabe des Bewahrens und Vermittelns. Auf der anderen Seite wird vom Publikum beziehungsweise von der Gesellschaft erwartet, dass Museen immer wieder etwas Neues und Spektakuläres zeigen. Letzteres führt dazu, dass beachtliche Ressourcen verbraucht werden, was mich zunehmend persönlich belastet. Da ist meiner Meinung nach auch ein Umdenken beim Publikum nötig. Grundsätzlich gibt es aber in jedem Teilbereich Verbesserungsmöglichkeiten und mir ist es ein grosses Anliegen, dazu einen Beitrag zu leisten.


3. Was tun Sie, um Ressourcen zu schonen?


Zum einen versuchen wir beim Bau der Ausstellungsarchitektur Materialien wieder zu verwenden oder weiterzugeben. Diesbezüglich bemühen sich mittlerweile bereits viele Museen.


Ich konkret versuche den Leihverkehr zu optimieren. Verbesserungsmöglichkeiten gibt es bei der Wahl und dem Bau der Transportkisten. Wir packen bei grösseren Konvoluten Werke, die nicht speziell empfindlich sind, sehr dicht. Das Volumen des Transports kann so massiv reduziert werden, was beim Flugverkehr zu sehr grossen Einsparungen führt. Wir sparen also im ökologischen und ökonomischen Sinne sehr viel. Zudem nutzen wir für fragile Werke eigene gut gedämmte Schubladenkisten, die wir seit 18 Jahren immer wieder verwenden. Sie sind praktisch nonstop im Einsatz. Für LKW-Transporte haben wir eigene multifunktionale Transportschränke.


Suboptimale Doppelklimakiste: Transport von acht kleinformatigen Gemälden, viel Leerraum und Holz. Foto: Zentrum Paul Klee

Klimakiste: Transport von 31 mittel- und kleinformatige Werken, kaum Leerraum und wenig Holz. Foto: Zentrum Paul Klee




Meine Auswertungen der Klimamessungen haben gezeigt, dass der Nutzen von Doppelklimakisten selbst bei Extrembedingungen nur gering ist. Ich will der Kunst keinesfalls schaden oder sie gefährden. Wir transportieren jedoch mit proportional nicht optimal zusammengestellten Doppelklimakisten faktisch Unmengen Luft und nutzen ein x-faches an Frachtraum. Auf einem Transport von Santiago de Chile nach Amsterdam mit Temperaturen von 3°C im Cargo (6h) betrug der Temperaturunterschied zwischen den beiden oben gezeigten Kisten im Innern gerade einmal 0.5 °C zu Gunsten der Doppelklimakiste. Die Temperatur fiel bei beiden Kisten um ca. 6°C, was für empfindliche Werke nicht optimal ist. Bei unseren multifunktionalen Doppelklimakisten mit mehr Dämmung sank die Temperatur nur um 3°C. Die Luftfeuchtigkeit war in allen Kistentypen stabil. Bei Kunsttransporten ist es üblich Doppelklimakisten zu verwenden, welche in der Regel aus zwei einfachen Leihkisten zusammengestellt werden und vom Transporteur geliefert werden. Im gezeigten Fall war nicht mehr genug Zeit die Kiste zu beanstanden. Für den chilenischen Winter hätte etwas mehr Dämmmaterial mehr gebracht als zu viel Luft und Holz. Doppelklimakisten sind nicht doppelt so gut – nur weil der Name es suggeriert. Der Frachtpreis der im Beispiel genannten 8 Werke war 3x höher pro Werk als für die 40 Werke gleicher Grösse in der eigenen gut gedämmten Kiste für fragile Werke und 8x mehr als für die 70 Werke in den dicht gepackten Klimakisten. Das spielt bei Frachtpreisen von CHF 24000 für einen Weg eine grosse Rolle. Man hat das Gefühl man tue der Kunst was Gutes, weil man die «beste» Kiste bestellt. Beim klimatisierten Transport im Lastwagen ist die gleichbleibende Temperatur und somit eine stabile Luftfeuchtigkeit in der Kiste gewährleistet. Da reicht eine normale Klimakiste völlig aus. Für Flugtransporte in schwierige Klimazonen gäbe es noch Potenzial für Innovationen bezüglich ökologischen Kistenbau und wirklich guter Dämmung.


Auch die Kurierbegleitung konnten wir optimieren. Bei kleineren Konvoluten und nicht besonders heiklen Werken arbeiten wir mit virtueller Kurierbegleitung. Beim Auspacken, Protokollieren und Hängen sind wir virtuell per Zoom oder Teams dabei. Für die Überwachung am Flughafen vor Ort werden lokale Restaurator:innen beigezogen, die wir kennen. Ansonsten müsste ich zum Beispiel für fünf Bilder nach Madrid und wieder zurückfliegen. In manchen Jahren war ich viel unterwegs. Das sind dann schnell mal fünf bis acht Flüge, unter anderem Langstreckenflüge, pro Jahr.


4. Was waren die grössten Herausforderungen?


Die Risikoabschätzung und die Übernahme der Verantwortung bei Entscheidungen. Es ist einfacher für jeden Transport Doppelklimakisten zu nehmen, weil man sich dann an den Standard gehalten hat.


5. Müssen Sie bestimmte Abstriche machen in der Umsetzung von nachhaltigen Strategien?


Grundsätzlich gehe ich nur so weit, als dass keine Qualitätseinbussen entstehen. Ich bin Konservatorin. Das ist mein Job. Ich habe viele Messungen durchgeführt und kenne die Kisten. Es haben aber auch nicht alle Transporteur:innen dieselben Kisten. Man muss sich für jede Sammlung neue Fragen stellen. Das lässt sich nicht pauschalisieren. Andere Werke haben andere Bedürfnisse. Bei uns werden häufig viele Werke, Objekte und Archivalien zusammen transportiert. Das ist bei anderen Museen anders. Jedes Museum muss sich museumsspezifische Fragen stellen. Viele verpacken die Werke zusätzlich zur Kiste in Luftpolsterfolie oder Plastikfolie. Viele Dinge werden einfach gemacht und nicht hinterfragt.


6. Hat Sie etwas während der bisherigen Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit überrascht?


Mich hat überrascht, wie wenig Vertreter:innen aus dem Bereich der Kunstmuseen, unter anderem Konservator:innen, am Impulstag von Happy Museums teilgenommen haben. Ich würde sogar behaupten, dass wir, die Kunstmuseen, die grössten Ressourcenverbraucherinnen unter den Museen sind. Gerade aufgrund der internationalen Ausstellungen. Es gibt sicher auch historische Museen, die Überseetransporte machen, aber vermutlich insgesamt weniger.


Mich haben aber auch die Zahlen meiner Berechnungen überrascht. Wie immens die Unterschiede sind, wenn man verdichtet packt oder auf Doppelklimakisten verzichtet und den Transport optimiert.


7. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?


Die Bilder sind oft unglaublich viel Wert. Da nimmt man logischerweise nur das Beste vom Besten. Aber oft hinterfragt man das gar nicht. Oft schwingt auch die Angst mit, etwas falsch zu machen. Man müsste daher mehr Forschen. Vielleicht müsste man auch mal die Materialien hinterfragen. Diese Mengen an Styropor und Schaumstoff, die verwendet werden. Das ist viel. Vielleicht müsste man die Kiste komplett neu denken. Mir schwebt z.B. Isofloc als Dämmmaterial vor.


8. Welche Initiativen und Projekte im Museumsbereich inspirieren Sie?


Die internationale Zusammenarbeit durch Wanderausstellungen ist sehr schön und inspiriert mich. Wir haben einige Partnermuseen. Ich denke, dass sich diese internationale Zusammenarbeit stark verbessert hat. Es werden langfristige Beziehungen aufgebaut. Die Werke sind teilweise weit gereist und wandern dann in ganz Europa umher oder umgekehrt, das macht Sinn.

9. Welchen Beitrag können Kunstmuseen für eine nachhaltige Gesellschaft leisten? Wo sehen Sie die Grenzen?


Grundsätzlich können sie durch die eigene Sammlung, wenn diese zugänglich gemacht wird, vieles zur Nachhaltigkeit beitragen. Museen müssen aber auch den Mut dazu haben weniger Spektakel zu bieten und sich stärker auf die eigene Sammlung zu konzentrieren. Dazu braucht es aber auch die Gesellschaft, die das annimmt und sich mit den Bildern und den Ausstellungsstücken eines Museums intensiver auseinandersetzt. Gerade bei Klee. Da denken viele: «Klee, den habe ich gesehen». Aber häufig haben sie lediglich eine einzige Klee-Ausstellung in ihrem Leben besucht. Wer sich intensiver mit Klee auseinandersetzt, merkt, wie spannend und vielseitig dieser Künstler ist. Die Besucher:innen wollen jedoch stets neue Highlights sehen.


10. Was ist Ihr ganz persönlicher Tipp für ein nachhaltiges Leben?


Mein persönliches Kredo ist: Dinge zu hinterfragen, Standards zu hinterfragen – so wird man oft nachhaltiger.

 

Happy Museums – Nachhaltigkeit konkret!

Happy Museums leistet einen Beitrag an eine globale, nachhaltige Zukunft im Museums- und Ausstellungssektor. Ziel ist, dass sich möglichst viele Schweizer Museen und Ausstellungshäuser mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Mittels Betriebsanalysen, Ausstellungs- und Vermittlungsaktivitäten sollen sowohl Museen wie auch Besucher*innen und die lokale Bevölkerung zu konkreten Verhaltensänderungen animiert werden.


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